Portrait von Tanja Brückel vom Landesverband der Mütterzentren NRW

Teenagermütter

Jung, schwanger und nun? 

Text zuletzt aktualisiert: 31.07.2025

Interview mit Tanja Brückel: Hilfe und Unterstützung für Teenagermütter

Mit 14 oder 15 ein Baby im Arm, während die Freundinnen und Klassenkameraden noch Hausaufgaben machen – für Teenagermütter und -väter beginnt das Erwachsenenleben über Nacht. Von heute auf morgen stehen sie vor einer Situation, in der sie echten Rückhalt brauchen. In Nordrhein-Westfalen bietet das Beratungs- und Unterstützungsangebot „Teenagermütter“ Hilfe. Was die Initiative besonders macht und wie das Expertennetzwerk jungen Eltern hilft, erklärt Tanja Brückel vom Mütterbüro NRW im Interview. 

 

Familienportal.NRW: Die Nachricht über eine frühe Elternschaft kommt oft überraschend. Was bedeutet das für die Betroffenen, wenn sich der erste Schock gelegt hat? 

Tanja Brückel: Manche trifft die Schwangerschaft völlig unvorbereitet. Die erste Frage lautet oft: „Wie soll ich das nur schaffen?“ – begleitet von Scham, Angst und Sorge vor den Reaktionen von Familie und Freunden. Viele kommen aus schwierigen Verhältnissen, erleben wenig Halt oder haben kein unterstützendes Umfeld. Und gleichzeitig türmen sich unlösbar scheinende Herausforderungen auf – sie sind ja selbst noch Kinder. Plötzlich stehen Zukunftspläne, Schulabschluss, Ausbildung, Wohnsituation und Finanzen auf dem Prüfstand. Häufig fehlt die familiäre Unterstützung oder es entsteht Druck, sich zwischen Kind und Schulabschluss entscheiden zu müssen. Hinzu kommen emotionale Belastungen wie Schuldgefühle und Überforderung. 

 

Wie kann den Teenagermüttern und -vätern in dieser Situation geholfen werden?  

Was minderjährige Eltern in dieser Lebensphase brauchen, ist vor allem jemand, der an sie glaubt und sie bestärkt. Das kann ein ermutigtendes Gespräch sein, ein gemeinsamer Gang zum Amt oder einfach das Gefühl: Ich bin nicht allein.  

Deshalb haben wir bereits vor 20 Jahren das Expertinnen-Netzwerk „Teenagermütter“ ins Leben gerufen. In vielen nordrhein-westfälischen Kommunen treffen sich dort Hebammen, Gynäkologinnen, Fachkräfte der Jugendämter, Beratende aus Familienbildungsstätten, Schwangerschaftskonflikt- und Mutter-Kind-Beratungsstellen – aber auch Lehrerinnen und Lehrer. Sie arbeiten ehrenamtlich zusammen, oft aus persönlicher Betroffenheit heraus, um jungen Eltern zu helfen. 

 

Wie funktionieren diese Netzwerke vor Ort? 

Oftmals findet der Erstkontakt über den Gynäkologen oder die Gynäkologin statt, manchmal auch über die Lehrkräfte. Doch unabhängig davon, an wen sich eine Teenagermutter oder ein Teenagervater wendet, die Beteiligten sind untereinander gut vernetzt. Wer einen Unterstützungsbedarf erkennt, bringt das Expertennetzwerk zusammen. Sie bieten Beratung in vielen Bereichen und helfen den jungen Müttern und Vätern, mit der neuen Lebenssituation umzugehen und ihre eigenen Wege zu finden. Dazu gehören: 

  • Individuelle Gespräche rund um Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft
  • Hilfe beim Schul- oder Ausbildungsabschluss
  • Begleitung zu Behörden
  • Unterstützung bei familiären Gesprächen
  • Gruppenangebote, in denen sich junge Mütter und Väter austauschen können
  • Unterstützung bei der Wohnungssuche
  • Hilfe bei der Kita-Suche
  • Vermittlung finanzieller Hilfen (z.B. Wohngeld, Elterngeld, Kindergeld)
  • Zugang zu jugend- und sozialpädagogischer Familienhilfe 

Dieses Netzwerkmodell nimmt übrigens bundesweit eine Vorreiterrolle ein. Kein anderes Bundesland bietet eine vergleichbare, flächendeckende und ehrenamtlich getragene Unterstützung für minderjährige Eltern. 

 

Welche Erfahrungen haben Sie in den Netzwerken gemacht? Gibt es Unterstützungsangebote, die besonders gut wirken? 

Am wirksamsten ist die generationenübergreifende Selbsthilfe. Nirgendwo wirkt Hilfe so nachhaltig wie in der direkten Nachbarschaft. Menschen miteinander zu vernetzen, ist entscheidend. Unsere wichtigste Botschaft an Kommunen lautet daher: „Schafft Orte der Begegnung!“ 

Als Interessenvertretung der Mütterzentren in NRW unterstützen wir bei der Gründung kommunaler Netzwerke mit Know-how und Erfahrung. Die konkrete Arbeit findet jedoch vor Ort statt. 

Ein Beispiel: In unseren Mütterzentren begegnen sich Jung und Alt. Jemand sagt: „Kati schafft das nicht allein.“ Und Ilona antwortet: „Ich sehe das auch. Ich geh da mal hin.“ Wenn die Chemie stimmt, entsteht eine Win-Win-Situation: Ilona, deren Mann kürzlich verstorben ist, fühlt sich wieder gebraucht – und Kati bekommt praktische Unterstützung und Lebenserfahrung. 

 

Wie viele dieser regionalen Netzwerke gibt es Nordrhein-Westfalen? 

In über 20 Jahren erfolgreicher Projektarbeit haben sich in Nordrhein-Westfalen inzwischen mehr als 40 solcher regionalen Expertennetzwerke gegründet.  Auf unserer Informationsplattform www.teenagermuetter.de pflegen wir eine Übersicht aller Netzwerke, bei denen Betroffene und Angehörige sich Informationen, Tipps und Unterstützung holen können.  

Diese Netzwerke sind das A und O, um Teenager in ihrer herausfordernden Situation emotional, sozial und finanziell zu stärken. Fachkräfte, die in ihrer Kommune ein Netzwerk gründen oder die Netzwerkarbeit vor Ort unterstützen möchten, sind herzlich eingeladen, am Ausbau unseres Angebotes für junge Eltern mitzuwirken – zu Themen wie Schwangerschaft und die Zeit danach, Schwangerschaftskonflikte, Schule und Ausbildung und vieles mehr. Wer mehr über die Ziele und die Möglichkeiten der Mitwirkung wissen möchte, erhält Informationen ebenfalls auf unserer Webseite

 

Welche persönliche Botschaft möchten Sie minderjährigen Müttern und Vätern mit auf den Weg geben, die vor Entscheidungen rund um eine frühe Elternschaft stehen? 

Meine wichtigste Botschaft lautet: „Trau dich, mit jemandem darüber zu sprechen!“ Das gilt übrigens für alle Krisensituationen im Leben. Sobald man sich öffnet, kann man gemeinsam Lösungen finden. Uns geht es immer darum, Zuversicht zu wecken: „Gemeinsam schaffen wir das!“  

Tanja Brückel, vielen Dank für das Gespräch! 

(Das Gespräch wurde 2025 geführt)

Wo finde ich Hilfe und Beratung? 

 

  • Wer Fragen zu Schwangerschaft, Sexualität, Partnerschaft und Elternsein hat oder sich in einer Konfliktsituation befindet, findet über den Familienlotsen hier auf dem Familienportal.NRW die passende Anlaufstelle vor Ort
  • Auf der Informationsplattform www.teenagermuetter.de gibt es eine Übersicht aller Netzwerke, bei denen Betroffene und Angehörige sich Informationen, Tipps und Unterstützung holen können.
  • Die Jugendämter informieren unter anderem über finanzielle Hilfen, Mutter-Kind-Heime, Betreutes Wohnen und Möglichkeiten der Kindertagesbetreuung. Über den Familienlotsen hier auf dem Familienportal.NRW finden Sie das zuständige Jugendamt vor Ort.
  • Auch junge Männer, deren Partnerin schwanger ist, können sich kostenlos beraten lassen und für sie wichtige Fragen klären. Ansprechpersonen und Beratungsstellen hält die LAG Väterarbeit NRW bereit.

Über Tanja Brückel

Tanja Brückel ist Geschäftsführerin im Landesverband der Mütterzentren NRW e. V. Die Mütterzentren und offenen Häuser für Jung & Alt bieten mit ihren Anlaufstellen Treffpunkte im Quartier. Sie verbinden Menschen, die sich sonst vermutlich nie begegnet wären. Als Koordinierungsstelle begleitet der Landesverband der Mütterzentren NRW e. V. auch die bestehenden Unterstützungsnetzwerke für Teenagermütter und unterstützt neue Initiativen bei der Gründung.