Selbstbestimmt wohnen
Selbstbestimmt leben mit Behinderung ist möglich
Der Schritt in ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben ist für junge Menschen ein großer Meilenstein – und ganz besonders für Menschen mit Einschränkungen oder einer Behinderung. Es gibt heute verschiedene Wohnformen, die Selbstständigkeit fördern, Gemeinschaft bieten und zugleich individuelle Unterstützung leisten. In diesem Beitrag stellen wir Ihnen Wohnformen für junge Erwachsene mit Behinderung vor, die das ermöglichen.
Inklusion hat viele Facetten, dazu gehört auch das Wohnen – selbstständig oder in Gemeinschaft, mit weniger oder mehr Unterstützung, ambulant oder in einer besonderen Wohnform. Denn jeder Mensch hat das Recht, frei zu wählen, wie, wo und mit wem er oder sie leben möchte.
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Leben in der eigenen Wohnung: selbstständig und barrierefrei
Auf dem angespannten Wohnungsmarkt eine barrierefreie Wohnung zu finden, ist nicht immer einfach. Kleinere Umbauten können in Absprache mit dem Vermieter oder der Vermieterin meist selbst vorgenommen werden. Tipps, Ratschläge und Finanzierungsmöglichkeiten für einen barrierefreien Umbau finden Sie im Beitrag “Barrierefrei wohnen” hier auf dem Familienportal.NRW.
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Ambulant betreutes Wohnen: Hilfe, wann sie gebraucht wird
Das ambulant betreute Wohnen bietet jungen Menschen ein Leben in der eigenen Wohnung oder einer Wohngemeinschaft – ergänzt durch gezielte Assistenz im Alltag – begleitet, aber selbstständig. Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen oder Betreuungskräfte helfen stunden- oder tageweise z. B. beim Kochen, bei der Haushaltsführung oder bei Behördengängen.
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Wohngruppen in besonderen Wohnformen: Struktur und Sicherheit
In besonderen Wohnformen leben meist junge Erwachsene mit vergleichbarem Unterstützungsbedarf unter einem Dach. Sie sind geeignet für Menschen, die im Alltag mehr Unterstützungsbedarf haben. Getragen werden die besonderen Wohnformen oft von Sozialverbänden oder gemeinnützigen Initiativen. Die pädagogische und pflegerische Betreuung ist hier rund um die Uhr gewährleistet. Diese Wohnform bietet Sicherheit und Struktur, wobei das Gemeinschaftsleben im Fokus steht.
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Inklusive Wohngemeinschaften und Wohnprojekte: Gemeinsam unter einem Dach
Inklusive Wohngemeinschaften, in denen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam wohnen, werden immer beliebter. Diese besondere Form des Zusammenlebens ist gelebte Inklusion: Jeder bringt sich nach seinen Möglichkeiten ein – im Alltag, beim Kochen, im Gespräch, in der Begleitung. Viele solcher Projekte werden von Stiftungen, Vereinen oder Initiativen getragen. Inklusive Wohnprojekte, Initiativen und Angebote auf einen Blick finden Sie auf dem Portal Wohnsinn.
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Elterninitiativen und selbst organisierte Wohnprojekte
Nicht selten gründen engagierte Eltern eigene Wohnprojekte für ihre Kinder – in Form von Genossenschaften oder privaten Initiativen. Mit viel Herzblut entstehen so Wohnformen, die exakt auf die Bedürfnisse der betroffenen jungen Menschen zugeschnitten sind. Eigeninitiative entwickelt sich oft auch dann, wenn die Nachfrage das Angebot an Plätzen in einer Wohngruppe übersteigt oder der familiäre Wunsch nach Mitbestimmung besonders groß ist.
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Wohnen mit Assistenz: persönlich und bis zu 24/7
Ein weiterer Weg in ein selbstbestimmtes Leben ist das Wohnen mit persönlicher Assistenz. Bei diesem Modell unterstützen persönliche Assistentinnen oder Assistenten die betreuten Personen je nach Art und Schwere der Behinderung rund um die Uhr. Das sogenannte Persönliche Budget ermöglicht es, Hilfen selbstständig zu organisieren – zum Beispiel für Pflege, Mobilität oder Alltagsunterstützung. Die betroffene Person entscheidet selbst, wer sie wann und wie unterstützt.
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Betreutes Wohnen in Gastfamilien
Das Betreute Wohnen in Gastfamilien – abgekürzt „BWF“ – ist für junge Erwachsene mit geistigen oder psychischen Behinderungen eine mögliche Alternative zu den anderen besonderen Wohnformen, wenn eine Unterbringung im eigenen Zuhause nicht länger möglich ist. Es funktioniert ähnlich wie eine Pflegefamilie in der Jugendhilfe. Die Gastfamilie wird begleitet durch das BWF-Fachteam und unterstützt ihr neues Familienmitglied bei einer möglichst selbstbestimmten Lebensführung. Mehr Informationen dazu bietet die Portalseite vom LWL-Inklusionsamt Soziale Teilhabe und das Faktenblatt des LVR.
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Kurzzeitwohnen
Im Rahmen der Kurzzeitbetreung können Menschen mit Behinderung für einen begrenzten Zeitraum in einer Wohneinrichtung aufgenommen werden. Das Angebot der Kurzzeitbetreuung bietet den Angehörigen von Menschen mit Behinderung, die diese im Haushalt unterstützen, somit eine vorübergehende Entlastung und kann beispielsweise für Abwesenheiten der Angehörigen genommen werden. Finanziert wird dieses Angebot über die Leistungen der Pflegeversicherung und/oder über die Eingliederungshilfe nach dem SGB IX.
Weitere Informationen zur Kurzzeitbetreuung erhalten Sie u.a. über die beiden Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL).
Tipps für Familien bei der Wohnungssuche
Worauf kommt es an, wenn Sie sich auf die Suche nach einer passenden Wohnform für Ihr Kind machen? Diese Tipps können helfen:
- Frühzeitig informieren: Bei der Suche nach geeigneten Wohngruppen gibt es manchmal lange Wartezeiten. Ein guter Zeitpunkt für die Planung ist bereits ca. zwei Jahre vor dem Schulabschluss.
- Bedarf realistisch einschätzen: Beobachten und klären Sie realistisch, wie viel Unterstützung wirklich gebraucht wird. Der individuelle Unterstützungsbedarf wird gemeinsam mit dem jeweiligen Träger der Einrichtung ermittelt.
- Gemeinschaft oder einzeln: Überlegen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind, was besser zu den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen passt: eine Einzelwohnung, ambulantes Wohnen oder eine Wohngruppe mit Betreuung rund um die Uhr.
- Lage und Entfernung: Klären Sie Fragen wie zum Beispiel: Wie weit darf die Einrichtung von zuhause entfernt sein, damit regelmäßige Besuche möglich sind, wenn diese gewünscht werden. Wo befindet sich der Standort und wie ist die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln?
- Umfeld und Freizeitangebote: Prüfen Sie gemeinsam, wie wichtig Ihnen das Umfeld ist und welche Anforderungen Sie an Freizeitangebote in der Nähe und an eine gute Infrastruktur haben.
- Partizipation: Wenn Sie sich für eine Wohngruppe entscheiden, fragen Sie nach, wie die Bewohnerinnen und Bewohner an der Mitgestaltung des Alltags beteiligt werden. Beispiele für Mitbestimmung sind die Auswahl von Mahlzeiten und Freizeitangeboten, die Vorbereitung und Organisation von Festen u.v.m.
- Regionale Angebote unter die Lupe nehmen: Vergleichen Sie die Angebote und Wohnprojekte der verschiedenen Träger und Initiativen in Ihrer Nähe, um herauszufinden, was am besten zu Ihnen und Ihrem Kind passt.
- Beraten lassen: Es gibt verschiedene Beratungsangebote, die Sie bei der Suche nach dem richtigen Angebot unterstützen können. Sie finden sie am Ende dieser Seite unter „Wo finden wir Hilfe und Beratung?“.
- Frühzeitig Kontakt mit dem zuständigen Leistungsträger aufnehmen. Denn: Erst wenn ein Antrag auf Leistungen gestellt wurde, können die Bedarfsermittlung starten und Leistungen bewilligt werden. Hier kommen Sie zur Antragstellung: LWL und LVR.
Wer trägt die Kosten für das selbstbestimmte Wohnen?
Die Kosten für die Betreuung nach SGB IX werden in der Regel von den Trägern der Eingliederungshilfe übernommen, wenn das Einkommen oder Vermögen des jungen Erwachsenen mit Behinderung nicht ausreicht. Je nach Unterstützungsbedarf übernehmen auch die Pflegeversicherung oder die Rentenversicherung Kosten. Die Kosten für die Unterkunft selbst werden von der Sozialhilfe nach SGB XII übernommen, sofern das Einkommen oder Vermögen des jungen Erwachsenen mit Behinderung nicht genügt.
In allen Fällen ist eine frühzeitige Beratung ratsam, wenn es um die Kostenübernahme für behindertengerechtes Wohnen, die Beantragung von Mietzuschüssen, Leistungen vom Sozialamt oder das Persönliche Budget geht.
Wo finden wir Hilfe und Beratung?
Kostenfreie Beratung erhalten Sie über den Landschaftsverband Rheinland LVR und das LWL-Inklusionsamt Soziale Teilhabe.
Die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung EUTB bietet eine kostenfreie Beratung zu Eingliederungshilfen und Leistungen zum Wohnen in einer besonderen Wohnform.
Im Rheinland leisten die Koordinierungs-, Kontakt- und Beratungsstellen (KoKoBe) sowie die Sozialpsychiatrischen Zentren (SPZ) ebenfalls individuelle Beratung zum selbstständigen Leben.
In besonders komplexen Lebenssituationen, in denen viele Stränge zusammenlaufen müssen, helfen Ihnen auch die Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben (KSL).
Es gibt eine Beratungsstelle für inklusive Wohnprojekte in Nordrhein-Westfalen. Wohn:Sinn ist ein Bündnis für inklusives Wohnen, das sich dafür einsetzt, dass Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt und in aktiver Gemeinschaft leben können. Die Erstberatung und viele Angebote sind kostenfrei.