
Interview mit David Juncke: Partnerschaftlichkeit in der Familie
„Väter möchten mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen!“ – Ein Interview über Partnerschaftlichkeit in der Familie mit David Juncke von der Prognos AG
Immer mehr Eltern möchten sich Beruf und Familie gleichberechtigt teilen. Während Mütter schneller in den Arbeitsmarkt zurückkehren, wollen Väter eine aktivere Rolle in der Erziehung übernehmen. Welche Fortschritte gibt es bei der Vereinbarkeit und wo hakt es noch? Im Interview mit Dr. David Juncke, Experte für Familienpolitik bei der Prognos AG, sprechen wir über aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und Wege zu einer partnerschaftlichen Aufteilung der Familienarbeit.
Familienportal.NRW: Viele Eltern wünschen sich von Geburt an eine gleichberechtigte Vereinbarkeit, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Herr Juncke, wie steht es um die Partnerschaftlichkeit in den Familien?
Was die Vorstellungen von Vätern über ihre eigene Rolle in der Familie und die partnerschaftlich organisierte Arbeitsteilung angeht, hat sich in den vergangenen Jahren vieles positiv entwickelt. Familienbezogene Leistungen wie Elterngeld und die Elternzeit ermöglichen es Vätern, beruflich kürzerzutreten und mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen – ein Gewinn für die Entwicklung der Kinder. Die Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren wurden in den vergangenen Jahren maßgeblich ausgebaut – ebenso das Betreuungsangebot in den Offenen Ganztagsschulen (OGS). Das erleichtert die Erwerbstätigkeit der Mütter. Frauen haben so am Arbeitsmarkt deutlich aufgeholt. Diese positive Entwicklung stärkt nicht nur langfristig die wirtschaftliche Sicherheit der Familien, sondern auch das Miteinander in einer gleichberechtigten Partnerschaft.

Dass Väter heute präsenter sein wollen und eine aktive Rolle in der Erziehung übernehmen, bestätigen auch die Zahlen: Die Väter in Nordrhein-Westfalen nehmen im Durchschnitt vier Monate Elternzeit – damit liegen sie leicht über dem bundesweiten Vergleich. Geht der Trend zu mehr Partnerschaftlichkeit weiter nach oben?
Wir sehen mit Blick auf die Elternzeit eine Erfolgsgeschichte. Es ist erfreulich, dass immer mehr Väter Elternzeit nehmen. Die Vorstellungen von Vätern und das eigene Rollenbild haben sich bezüglich einer fairen Aufteilung von Familienaufgaben deutlich gewandelt. Das zeigt ganz klar eine gesellschaftliche Veränderung. Dennoch übernehmen überwiegend die Mütter nach wie vor den größeren Teil der Familienarbeit – sei es in der Kinderbetreuung, im Haushalt oder in der emotionalen Verantwortung, die mit der Organisation von Aufgaben verbunden ist. Für mehr Parterschaftlichkeit müssen Väter jedoch eine noch aktivere Rolle übernehmen. Ihre Beteiligung ist unverzichtbar.

Während sich die Einstellung der Väter gewandelt hat, klafft zwischen Wunsch und Wirklichkeit offensichtlich eine Lücke. Befürchten die Väter berufliche Nachteile, wenn sie in Elternzeit gehen?
Die Mehrheit der Väter macht keine negativen Erfahrungen. Tatsächlich gaben in unserer repräsentativen Befragung sechs von zehn Vätern an, dass sie in ihrem beruflichen Umfeld bei der Inanspruchnahme der Elternzeit keine negativen Reaktionen erlebten. Es gibt jedoch auch noch Hürden. 15 Prozent der Väter haben berichtet, dass sich die Elternzeit negativ auf ihre Karriere ausgewirkt habe. Sie stoßen auf Herausforderungen, insbesondere dann, wenn sie Führungsverantwortung tragen oder die Elternzeit über zwei Monate hinausgeht. Aber: Die Arbeitswelt verändert sich gerade rasant, und Unternehmen erkennen in Zeiten des wachsenden Fachkräftemangels zunehmend den Wert einer familienfreundlichen Personalpolitik. Aktive Väter haben heute starke Argumente, wenn es um das Einfordern von mehr Vereinbarkeit geht.

Welche Tipps können Sie Vätern geben, die eine gleichberechtigte Aufteilung von Elternzeit und Arbeitszeit mit ihrem Arbeitgeber verhandeln möchten?
Die Väter befinden sich angesichts des wachsenden Fachkräftemangels in einer sehr vorteilhaften Verhandlungsposition. Unsere Befragungen zeigen, dass ein hoher Anteil an Vätern bereit ist, die Arbeitsstelle zu wechseln, wenn die Unternehmenskultur die Familienfreundlichkeit nicht mit in den Blick nimmt. Flexibilität bei Arbeitszeiten, Unterstützung für Eltern und eine offene Haltung zur Elternzeit – all das wird immer wichtiger. Dagegen müssen Arbeitgeber mit einer erhöhten Wechselbereitschaft rechnen, wenn sie die Wünsche der Väter nach einer besseren Vereinbarkeit ignorieren. Das ist ein deutliches Signal in Richtung Wirtschaft. Arbeitgeber müssen erkennen, dass familienfreundliche Strukturen für die Mitarbeiterbindung entscheidend sind.
Zum anderen können Väter selbstbewusst argumentieren, dass sie ein echter Gewinn für ihr Unternehmen sind. Wenn es möglich ist, Beruf und Familie besser zu vereinen, profitieren Unternehmen von der gesteigerten Zufriedenheit, einer höheren Loyalität zum Arbeitgeber und einer höheren Produktivität. Und schließlich muss Familienfreundlichkeit im Unternehmen auch gar nicht viel Geld kosten. Oft können schon kleine Stellschrauben viel bewirken, es muss nur der Wille vorhanden sein.
Einen guten Rat, den ich Vätern an dieser Stelle mitgeben möchte, ist, frühzeitig das Gespräch mit der eigenen Führungskraft zu suchen. Je offener und klarer die Planung über Elternzeit und weiteren Unterstützungsbedarf bei der Vereinbarkeit kommuniziert wird, desto höher ist die Bereitschaft und Akzeptanz im Unternehmen. Wobei solche Gespräche immer von einem gegenseitigen Geben und Nehmen geprägt sein sollten.

Wie kann es gelingen, noch mehr Väter zu einer längeren Elternzeit und partnerschaftlichen Aufteilung der Familienarbeit zu ermutigen?
Vätern fehlt oftmals das Umfeld, das ihnen zeigt: „Ja, das geht! Ich darf und kann länger in Elternzeit gehen.“ Vorbilder spielen hier eine sehr große Rolle. Wenn Väter in Unternehmen oder im Freundeskreis offen über ihre Erfahrungen sprechen, macht das anderen Vätern Mut. Insbesondere Führungskräfte, die Familie und Beruf aktiv vereinbaren, können hier ein wichtiges Zeichen setzen. Plant der Vorgesetzte einen freien Nachmittag ein, um Zeit mit der Tochter zu verbringen oder bringt der Betriebsleiter seinen Sohn morgens persönlich in die Kita, zeigt das allen Mitarbeitenden: Vereinbarkeit ist auch ein Thema für Väter und bei uns im Betrieb möglich!
Auch die Unternehmen sind gefragt. Es gibt bereits viele familienfreundliche Programme, sowohl in großen als auch in kleinen und mittleren Unternehmen. Oftmals fühlen sich aber in erster Linie die Mütter angesprochen. Da scheitert es manchmal am Wording. Die Väter werden nicht gezielt adressiert. Väter brauchen jedoch spezielle Vereinbarkeitsangebote und auch eine andere persönliche Ansprache, damit sie sich abgeholt fühlen. Ich möchte ein gutes Beispiel nennen: Männer arbeiten in der Regel Vollzeit, mit dem Begriff „Teilzeitarbeit“ können sie sich wenig identifizieren. Das Projekt eines großen deutschen Unternehmens zeigt jedoch, wie die Ansprache besser gelingen kann: Als den Führungskräften eine „Flextime“ angeboten wurde, war die Nachfrage der Väter überraschend hoch, obwohl sich dahinter nichts anderes als ein flexibilisiertes Teilzeitangebot verbarg.
Damit Familien das Elterngeld bestmöglich nutzen, müssen wir auch über die Höhe und die Verteilung der Elterngeldmonate neu reden. Die Wirkung in den Familienalltag hinein ist weitaus größer, wenn die Väter exklusive Zeit allein mit ihrem Kind verbringen. Wenn Väter die Erfahrung machen, was Kinderbetreuung im Alltag bedeutet, dann wird es im Verlauf der Partnerschaft umso einfacher, Gleichberechtigung zu erzielen.
Schließlich zahlt sich eine bessere Vereinbarkeit in vielerlei Hinsicht aus: Sie erleichtert die Entscheidung, eine Familie zu gründen und verteilt die finanzielle Verantwortung auf zwei Schultern. Auch der Arbeitsmarkt gewinnt, wenn mehr Mütter erwerbstätig sind. Das alles gelingt aber nur, wenn die Väter bereit sind, sich noch stärker zu engagieren. Dafür braucht es manchmal nur einen kleinen Schubser – der darf auch von den Müttern kommen.

Herr Juncke, vielen Dank für das Gespräch!
(Das Gespräch wurde 2025 geführt.)
Über David Juncke
Dr. David Juncke gehörte zum Gründungsteam des Forschungszentrums Familienbewusste Personalpolitik an der Universität Münster und befasste sich dort intensiv mit der Vereinbarkeitsfrage und betrieblicher Familienpolitik. Als Strategieberater bei der Prognos AG erarbeitet er mit seinem Team wissenschaftliche Grundlagen für politische Weichenstellungen und Entscheidungen in der Familienpolitik.